Josef Mikl, Emmaus

Josef Mikl, Emmaus, 1976, 9,20 x 34,20 m, Öl auf Leinwand

„Und: Wofür brennt dein Herz?“, das ist die Frage, die die Emmauskapelle des Bildungshauses St. Virgil allen stellt, die sie betreten.


Übergroß nimmt die, die gesamte zylindrische Wand bedeckende, Malerei von Josef Mikl einen im wahrsten Sinn des Wortes mit hinein in die Geschichte der beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Im 21. Kapitel des Lukasevangeliums wird sie erzählt: Zwei von den Freunden Jesu sind auf dem Weg nach Hause. Es ist der Heimweg aus einer großen Illusion, so scheint es. Denn was sie gerade erlebt hatten, war das schmähliche Ende am Kreuz, das ihrem Meister von seinen Gegnern bereitet wurde. Der Stein vor dem Grab ist auch zum Stein auf all ihren Hoffnungen und Träumen von einem neuen Leben, das sie in seiner Nähe zu träumen wagten. Da stößt ein Fremder zu ihnen und geht mit, lässt sich alles erzählen, selbst die merkwürdige Geschichte von den Frauen, die an diesem Morgen, es ist der Ostersonntag, das Grab leer gefunden hätten und sagten, er, der gekreuzigte, lebe. Aber damit können sie nichts anfangen.

Der Fremde aber erschließt ihnen einen Weg, auf dem sie lernen, das, was ihnen aus den heiligen Schriften und aus der Lehre Jesu ja vertraut ist, neu zu verstehen. Und als er dann am Abend, bei ihnen eingekehrt, das Brot für sie bricht, da erkennen sie den Fremden als den auferstandenen Herrn.

Der Fremde aber erschließt ihnen einen Weg, auf dem sie lernen, das, was ihnen aus den heiligen Schriften und aus der Lehre Jesu ja vertraut ist, neu zu verstehen. Und als er dann am Abend, bei ihnen eingekehrt, das Brot für sie bricht, da erkennen sie den Fremden als den auferstandenen Herrn. Aus dem Weg der Enttäuschung war ein Weg der brennenden Herzen geworden. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete?“, so fassen die beiden schließlich ihre Erfahrung zusammen. Aus dem Ende wurde ein neuer Anfang. Und alles, was sie dazu brauchten, war schon da, trugen sie sozusagen in ihrem Rucksack schon mit sich. Es brauchte nur noch einer mit ihnen zu gehen, der sie lehrte darin das neue Bild vom Leben und vom Menschsein zu finden.„Und: Wofür brennt dein Herz?“. Bildung beginnt wohl immer mit dieser Frage. Denn das Menschenherz, die innerste Mitte einer Person, kann zwar manchmal in Enttäuschung, Angst und Alltag erstarren, aber dennoch trägt es die Sehnsucht in sich, für etwas zu brennen. Der tiefste Sinn von Bildung besteht darin, Menschen auf dem Weg zu begleiten, auf dem sie ein neues Bild von ihrem Leben und von ihrem Menschsein finden. Aber das geht nur, wenn „der Funke überspringt“ und der gemeinsame Weg ein Weg der brennenden Herzen wird. Und dafür gibt es eigentlich nur eine einzige Methode: Den Dialog! Hören können, fragen können, schweigen können und reden können, das öffnet den Weg, auf dem nicht „etwas“ von oben oder von außen vermittelt, sondern auf dem Leben und Menschsein von innen her erschlossen wird. Und so besteht auch das raumfüllende, ja genau genommen den Raum sprengende Emmausbild von Josef Mikl aus vielen kleineren Flächen und Bildern. Es wird darin aber auch deutlich, dass alle Lehre vom Leben und vom Menschsein letztlich noch einmal auf Voraussetzungen beruht, die sie sich nicht selber geben kann: Der auferstandene Christus überragt die räumlichen Grenzen der Kapelle: nach oben, nach unten und vor allem über die gläserne Wand hinaus in die Welt. In der Wirkung ähnlich einem byzantinischen Pantokrator hoch in der Apsis der alten Dome wird hier auf das noch einmal alles bergende Geheimnis der Liebe Gottes verwiesen, dessen Herz in Christus für alle brennt und offensteht, und damit zum Ziel wird für jedes Herz, das „unruhig ist, bis es Ruhe findet in dir!“, wie es Augustinus in seinen Bekenntnissen schreibt. Bildung kann also nie Selbstzweck sein, kann nie sich selbst genügen. Das neue Bild vom Leben und vom Menschsein will mit-geteilt sein, wird zum Ruf in die Verantwortung in der Welt.

Mit der Emmausgeschichte gibt Josef Mikl dem Bildungshaus ein zeitloses Bildungsprogramm mit: In jedem Menschen das brennende Herz sehen; den Dialog, der nicht belehrt sondern erschließt; und den tragenden Grund der frohen Botschaft von Gott, der sich in Christus hineinschenkt in die Welt, damit Leben und Menschsein immer wieder neu sein und gut sein können. Mikel gestaltet das im Herzen des Hauses, in der Kapelle, dort, wo so wie in Emmaus das Brot gebrochen wird, damit die Augen aufgehen.

Michael Max, Rektor der Anima, Rom