Tagung zu Polarisierung in der Gesellschaft in St. Virgil

230 Personen aus allen Bereichen der Gesellschaft versammelten sich von 14. bis 16. Juni in St. Virgil, um über Polarisierung zu diskutieren und Lösungsansätze zu erarbeiten, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt auch in stürmischen Zeiten gelingen kann. Als Speaker waren unter anderem Wolfgang Merkel (Politikwissenschaftler, Humboldt-Universität Berlin), Rudolf Anschober (Bundesminister a.D.), Christian Felber (Autor), Kateryna Mishchenko (ukrainische Autorin) und Markus Pausch (Politikwissenschaftler, FH Salzburg) zugegen.

Moralismus als Katalysator für Spaltung

Der Fokus der Gespräche lag auf Polarisierung als Herausforderung für die Demokratie. Wolfgang Merkel beschrieb unter anderem, dass Polarisierung nicht generell schlecht sein müsse - beispielsweise fördere laut Merkel ein gewisses Misstrauen gegenüber einzelnen Politiker*innen die Partizipation und sei daher notwendig. „Schwierig wird es dann, wenn ein generelles Misstrauen gegenüber Institutionen entsteht“, so der Politikwissenschaftler, „oder – noch problematischer – wenn die Bürger*innen sich untereinander nicht mehr vertrauen.“ Ein wichtiger Aspekt dabei sei die Moralisierung: Moral sei wichtig für die Gesellschaft. Wenn sie sich allerdings zum Moralismus umkehrt, „wenn man die eigene Sichtweise als die einzig moralische und das Gegenüber folglich als unmoralisch sieht, dann wird es gefährlich“, so Wolfgang Merkel. So entstünden zwei Lager, zwischen denen die Kommunikationskanäle oft abbrechen. 

Wie fühlt sich Polarisierung am eigenen Leib an?

Ausgesuchte Personen stellten sich für lebensgeschichtliche Interviews zur Verfügung, darunter auch Rudolf Anschober (Bundesminister a.D.) und Kateryna Mishchenko, die als sowjetisches Kind in die Ukraine kam und inzwischen in Berlin lebt. Sie brachte den Aspekt ein, wie Spaltung von außen gesteuert werden kann: „Die russische Seite und die ukrainischen Machteliten hatten Interesse an der Spaltung der Gesellschaft in der Ukraine. Und diese künstliche Spaltung war so erfolgreich, dass die Welt nicht wahrgenommen hat, dass Russland schon 2014 die Ukraine angegriffen hat. Man hat es für einen internen Konflikt gehalten.“

Gemeinsam Krisen bewältigen

Fazit: Polarisierung steigt aktuell weltweit stark an und stellt Demokratie und Gesellschaft vor große Herausforderungen, sie bietet aber auch Chancen. In der Diskussion stellte sich heraus, dass es durchaus Wege aus der Spaltung gibt – gut sichtbar in den Good Practice Beispielen, die von Stiegenhausgesprächen und Demokratie-Repair-Cafés oder Dialog inmitten des Kriegs berichten: „Die Lösung ist Kommunikation“, fasst Gunter Graf, Tagungsverantwortlicher in St. Virgil, zusammen. „Wenn Menschen miteinander reden und die Kommunikationskanäle wieder öffnen, wirkt das der Spaltung entgegen. Zusammenhalt entsteht.“ 

Fotonachweis: Presseservice St. Virgil / Sturmer

Von links nach rechts: Kateryna Mishchenko (Schriftstellerin), Hans-Peter Graß (Friedensbüro), Julia Herrnböck (Investigativjournalistin), Jakob Reichenberger (Direktor St. Virgil), Lena Schilling (Klimaaktivistin), Rudolf Anschober (Bundesminister a.D.), Gunter Graf (Studienleiter St. Virgil), Wolfgang Merkel (Politikwissenschaftler). Foto: Virgil Presseservice / Sturmer